Hier finden Sie das Programm des Bürgerforums zur Windenergie in Butzbach.
Hier finden Sie die Dokumentation der Podien und Vorträge.
Windenergie in Butzbach sorgt für lebhafte Diskussionen
Unabhängig von der Bewertung der Windenergie waren sich die Experten und Teilnehmende des Bürgerforums zur Windenergie am Mittwoch einig, dass Informationen zum aktuellen Planungsstand eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Stadt Butzbach sind. Das Bürgerforum wurde deshalb von der Mehrheit der Fraktionen begrüßt. Am 15. Oktober wird eine zweite Veranstaltung mit einer Ideenwerkstatt zur Umsetzung der Energiewende vor Ort stattfinden.
Am 1. Oktober diskutierten über 200 überwiegend kritische Bürgerinnen und Bürger am Bürgerforum zur Windenergie im Butzbacher Bürgerhaus. Im Mittelpunkt der Debatte standen Fragen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in Hessen, zur technischen Umsetzung, zur Wirtschaftlichkeit, zur Gesundheit sowie zu Flora und Fauna. Eingeladen hatten das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung und die Hessen Agentur im Rahmen des Landesprogramms „Bürgerforum Energieland Hessen“.
„Unser Ziel ist es, den Bürgern ein ausgewogenes Informationsangebot zu machen. Deshalb haben wir in über 40 Vorgesprächen mit allen Interessengruppen deren zentralen Themen aufgenommen und eine zusätzliche Internetplattform aufgeschaltet, auf der die Bürgerinnen und Bürger weitere Fragen an die Experten eingeben konnten“, berichtete die Moderatorin der Veranstaltung Dr. Antje Grobe von DIALOG BASIS. Insgesamt antworteten am Mittwochabend 17 Expertinnen und Experten auf die Bürgerfragen, wobei sich acht eher bei den Kritikern sahen und die Ortsbeiräte von Maibach und Bodenrod ihre Neutralität betonten.
Anstrengungen müssen verdoppelt werden
„Wir sind in Hessen dafür angetreten, die Energiewende umzusetzen, das ist klarer Wählerauftrag für die schwarz-grüne Koalition“, betonte Dr. Justus Brans vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. „Meint man es mit der Energiewende ernst, brauchen wir bis 2050 über 2000 Windenergieanlagen landesweit. Derzeit sind es erst 780 Anlagen. Wir müssen also unsere Anstrengungen verdoppeln.“ Allerdings seien die Flächen für die Windenergie in Hessen auf 2% begrenzt. Hierfür wurden in der Regionalplanung entsprechende Windvorranggebiete ausgewählt, zu denen auch Butzbach gehört. Diese Flächen gelte es jetzt im Sinne der gemeinsamen Zielsetzung der Energiewende zu nutzen.
Mut und ein kritischer Umgang mit den Fakten gefordert
Nicht nur die Befürworter der Windenergie von SPD, CDU und Grünen, sondern auch die FDP betonten ihre Bereitschaft, vor Ort Verantwortung für die Energiewende zu übernehmen. Einigkeit bestand auch darin, die Fakten kritisch prüfen zu wollen und erst dann eine Entscheidung pro oder contra zu treffen. Insofern wurde das Bürgerforum von der Mehrheit der Fraktionsvertreter eindeutig als Beitrag begrüßt, wichtige Fragen zu klären. Der Vertreter der Bürgerinitiative und des Vereins „Naturpark Hochtaunus darf nicht sterben e.V.“, Stein Johansen, betonte die Notwendigkeit, die Bürger hierbei frühzeitig einzubinden und forderte eine Verbesserung der Dialogkultur untereinander, um das bestehende Misstrauen abzubauen. Er wies darauf hin, dass dies Mut von allen Beteiligten erfordere. Kritische Worte waren vom Vertreter der UWG zu hören, der vermutete, dass die Ergebnisse der Veranstaltung schon vorher feststanden.
Technik und Infraschall im Fokus
Dass dem nicht so war, zeigten die vielen überraschenden Wendungen im Dialogforum. So klärte Gerd Morber, Bereichsleiter der hessenEnergie, eindeutig die Bürgerfrage nach der Tiefe der Fundamente und dem Rückbau der Anlagen. Die Risszeichnungen zeigten hier 3,5 Meter tiefe Fundamente, die die im Rahmen der immer bestehenden Rückbauverpflichtung nach der Nutzungszeit zerkleinert und recycelt werden können. Die Kritiker waren hier von bis zu 30 Metern ausgegangen. Für den Rückbau werden Rückstellungen in Form einer Bürgschaft hinterlegt. Nach über 30 rückgebauten Anlagen könne er die Kosten sehr gut abschätzen, so Morber. Diese liegen in etwa bei 140.000 Euro. Die Bürgerinitiative hatte hier einen Wert von 230.000 Euro angesetzt.
Auch Prof. Dr. Detlef Krahè, Universität Wuppertal, einer der Experten von Seiten der BI, sorgte für Überraschungen. Laut dänischen Studien empfinden nur etwa 20 Prozent der Bewohner in 1 km Umfeld Windenergieanlangen als störend. Weitere Studien zeigten, dass in einem Umkreis von 2 km die Werte auf 4 Prozent sinken. Krahé ergänzte, dass sich eher ältere Menschen und eher Frauen in ländlichen Regionen von Beschwerden wie Schlafstörungen, Konzentrationsmangel und Gereiztheit betroffen fühlen. „Auch wenn noch viel Forschungsbedarf besteht, zeigen Studien, dass Menschen unterschiedlich sensibel auf Infraschall reagieren. Dies ist keineswegs alles Einbildung“, so der Wissenschaftler. Er lud die Butzbacher ein, an einer Studie teilzunehmen, in der man sich testen lassen kann, ob eine Sensibilität auf tieffrequenten Schall vorliegt oder nicht.
Debatte um die Wirtschaftlichkeit mit Skepsis verfolgt
Dem Schlagabtausch um die Wirtschaftlichkeit zwischen Matthias Kropp, Bürgerinitiative Gegenwind im Taunus / Vernunftkraft e.V., und Dr. Hans-Peter Frank, OVAG Energie AG, folgte eine hitzige Diskussion unter den Bürgern. Herr Kropp war nach der Analyse verschiedener Studien aus dem Internet zum Schluss gekommen, dass die Anlagen nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Dr. Frank stellte in der langen Diskussion mit den kritischen Bürgern klar, dass aufgrund der Gutachten zur Windhöffigkeit bestimmte Ertragswerte angesetzt werden können. Die Kostenseite habe man auf der Basis der Erfahrungen aus dem Bau und Betrieb von über 130 WEA solide und konservativ abgeschätzt. Aus aktueller Sicht ergebe sich daraus eine ausreichend positive Investitionsrendite, so Frank. Der finale Investitionsentscheid würde aber immer erst bei Vorliegen aller Kosten gefällt. Dazu gehören mögliche Betriebsauflagen wie Abschaltungen zum Vogel- und Fledermausschutz, Änderungen von Zuwegungs- oder Netzanschlusskosten und nicht Zuletzt die Finanzierungskonditionen zu diesem Zeitpunkt. „Heute konkrete Zahlen zu präsentieren, wäre schlicht unseriös. Später entscheiden die Gremien der Investoren, ob das Projekt umgesetzt werden soll oder nicht“, meinte Frank.
Kooperation zu Vögeln und Fledermäusen vereinbart
Auf dem Podium zu Vögeln und Fledermäusen ging man einen Schritt weiter. Das Gutachten zum Vogelschutz wird aktuell noch bearbeitet. Die Kartierungen sind abgeschlossen, jetzt arbeitet das Biologen-Team an der Auswertung. Konkret wurde auf dem Podium vereinbart, dass das Wissen des örtlichen Vogelschutzexperten Hubert Jung und der BI-Vertreterin aus dem Isseltal, Birgit Langton stärker in die Erstellung der Gutachten einbezogen werden sollen. Derzeit sieht es so aus, als ob Schwarzstorch und Rotmilane ihre Horste so weit weg von den geplanten Standorten haben, dass nach den gültigen gesetzlichen Kriterien nicht von einer derartigen Gefährdung ausgegangen werden kann, dass dies dem Anlagenbau entgegenstehen würde, so Martin Schnell von der Planungsgruppe für Natur und Landschaft.
Nach der offenen Diskussionsrunde, in der über eine Stunde lang weitere kritische Fragen vertieft wurden, bedankte sich Bürgermeister Michael Merle bei allen Bürgern und der Moderation für ihr Engagement. „Es geht hier um eine zukunftsweisende Entscheidung für Butzbach, die Region und das Land. Bei aller kontroverser Debatte sollen wir gemeinsame Zielsetzung der Energiewende nicht aus den Augen verlieren“, so Merle und unterstrich, dass mit Hilfe des Landesprogramms zentrale Fragen konstruktiv geklärt werden konnten.
Die Präsentationen zur Veranstaltung finden Sie in der rechten Download-Box.